Etwa 15 Prozent der Arbeitszeit verbringen wir mit Konfliktmanagement,

Führungskräfte sogar 30-50 Prozent.

Kommen dir diese Sätze bekannt vor?

»Das ist falsch, weil …« (Sprechende analysiert)

»Dein Fehler war, dass du …« (Sprechende kritisiert)

»Du machst das, weil …« (Sprechende interpretiert)

»Du liegst falsch/richtig, du bist klug/faul …« (Sprechende bewertet)

»Wenn du nicht sofort, dann …« (Sprechende droht)

Das ist eine sehr bissige Sprache. Im vertrauten Kommunikationskonzept von richtig und falsch und Gut und Böse. Solche Sätze erzeugen Gegenaggression (weil Druck immer Gegendruck erzeugt) oder devote Unterwerfung. Diese Sätze sind Ausdruck von verkappten Wünschen. Nur haben wir meist nicht gelernt, höflich zu erbitten, was wir möchten oder unsere Wünsche konstruktiv zu äußern.


In einer Herzenssprache, die bedürfnisorientiert agiert, besteht ein Gespräch aus vier Komponenten:

  • Beobachte, ohne zu bewerten
    »Du schaust aus dem Fenster, wenn ich mit dir sprechen will«
  • Eigene oder fremde Gefühle wahrnehmen und benennen
    »Ich mache mir Sorgen«
  • Bedürfnisse erkennen und ernst nehmen
    »Ich möchte wissen, wie es dir geht«
  • Auf Grundlage der Bedürfnisse klare, erfüllbare Wünsche äußern
    »Bitte sag mir, was du brauchst, damit wir darüber reden können«

Es geht hier um Gewaltfreie Kommunikation (GfK). Der Begriff kommt beim ersten Mal vielleicht ein wenig sperrig daher. Man fühlt sich vermutlich nicht angesprochen, denn wer übt schon Gewalt aus? Wir haben oft ein anderes Bild im Kopf, wenn wir von Gewalt sprechen. Die oben genannten Beispiele der bissigen Sprache, die eher aggressiv sind, sind das Gegenteil von wertschätzender Sprache und Kommunikation. Sie sind Nahrung für Gegenaggression. Aggression = Gewalt. Sprachlich. Worte wirken und ein gesprochenes Wort ist wie ein losgelassener Pfeil. Du kannst ihn nicht zurücknehmen, wenn er einmal im Ziel sitzt. Genauso wie die Worte beim Gegenüber ankommen erzeugen sie ein Gefühl. Das Gefühl sorgt für die Reaktion und so geht der Kreislauf los. Bedenke, auch im Jahr 2022 waren der zweithäufigste Grund für Arbeitsausfälle mit 19,6 Prozent psychische Faktoren.

Das Gute ist, wir können über die Richtung entscheiden. Wenn wir lernen und uns die Mühe machen, anders zu sprechen, als wir es vermutlich gelernt haben. Oft haben wir Sprache ja einfach übernommen. Aus dem Lebensbereich, in dem wir aufgewachsen sind, Schule, Freunde, Beruf.

Wenn du endlich andere Ergebnisse haben möchtest, dann lohnt sich die Mühe, sich über die eigenen Formulierungen Gedanken zu machen und diese anzupassen. Das geht mit Gewaltfreier Kommunikation. Die Gewaltfreie Kommunikation hat sich zur Visualisierung zwei Tiere als Symbol zur Hilfe genommen. Den Wolf („Wolfsprache“) als Symbol für eine Sprache der Dominanz und die Giraffe mit der „Giraffensprache“. Die Giraffe ist das Symboltier der Gewaltfreien Kommunikation, da die Giraffe das Landtier mit dem größten Herzen ist. Sie hat keine natürlichen Feinde und hat einen guten Überblick.

Bei dieser Art der Kommunikation geht es darum, sich vom alten Konzept gut/böse/richtig/falsch zu lösen und stattdessen eine Sprache zu finden, die sich um erfüllte und unerfüllte Bedürfnisse dreht. Es ist genaugenommen keine Technik. Es geht um deine innere Haltung. Es erfordert Selbstverantwortung und fordert, die Verbindungen zu Menschen so zu gestalten, dass wir unsere Bedürfnisse verstehen und schätzen und darauf basierend einen gemeinsamen Weg zu finden, wie diese einvernehmlich erfüllt werden können. Das gilt ganz besonders im Konfliktfall. 

Dr. B. Marshall Rosenberg ist der Begründer von GfK und seine Methode wird weltweit gelehrt und in vielen Krisengebieten angewendet. 

Faustformel:

Wenn ich sehe (Beobachtung),
dann fühle ich (Gefühl),
weil ich brauche (Bedürfnis).
Deshalb möchte ich jetzt gern (Bitte).

Beim nächsten Konflikt lohnt es sich also einmal durchzuschnaufen und dann: sehen, fühlen, brauchen, bitten.

Noch ein Beispiel aus dem Leben?

  1. Beobachtung: »Mir ist aufgefallen, dass du zu den letzten drei Teamsitzungen rund 20 Minuten zu spät gekommen bist «
    (statt Bewertung in Kombination mit Verallgemeinerung: »Immer kommst du zu spät«)
  2. Gefühl: »Das frustriert mich.«
  3. Bedürfnis: »Ich wünsche mir mehr Wertschätzung«
  4. Bitte: »Kannst du bitte pünktlich kommen?« (hier ist natürlich auch Raum um zu erfragen, woran das liegt und ob etwas helfen kann, den Wunsch zu erfüllen)

Wie Rudi Carell einst sagte: »Man kann nichts aus dem Ärmel schütteln, wenn wir vorher nichts reingesteckt haben.« Deswegen hier ein paar Einstiegsformulierungen für die vier Schritte. Allein diese nehmen schon Druck aus dem Gespräch und sorgen dafür, dass unser Gesprächspartner überhaupt zuhört und nicht direkt auf Gegenwehr geht.


Ich teile übrigens die Meinung von Expertinnen und Experten, die finden, dass es keinen Unterschied zwischen Privatleben und Arbeitsleben geben sollte, wenn es um wertschätzende Kommunikation geht. In beiden Sphären kann es oft schwierig sein, sachlich zu kommunizieren und zu argumentieren. Im Privaten muss man seltener harte Konsequenzen fürchten, wenn man einmal unüberlegt Dampf ablässt. Im Job kann man dafür den Menschen oft nicht aus dem Weg gehen, selbst wenn man das vielleicht möchte. Am Ende ist es aber doch beruhigend, dass ein Skill uns in beiden Lebensbereichen weiterhilft – und das in vier Schritten.

Zusammenfassung

Mit Gewaltfreier Kommunikation können im Arbeitsalltag nicht nur Konflikte schneller gelöst werden, sondern auch so, dass sich alle Beteiligten damit wohlfühlen. Wie das geht? Indem wir uns an unseren Bedürfnissen orientieren.